Dankesrede
Für diesen wunderbaren Preis
möcht ich mich gerne als Beweis
der großen Liebe zu der Stadt,
die mich so ausgezeichnet hat,
mit einem boesen Versereigen
geehrt, sehr stolz und glücklich zeigen
und meine Dankesworte nun
auf dichterische Weise tun.
Ich les ein kleines Potpourri
und sag es durch die Poesie:
Es war einmal eine Souffleuse,
die hieß zum Zweck des Reimes Boese.
Sie strickte selten einen Strumpf
und hatte ’nen geheimen Trumpf:
Die stillen Künste der Soufflage
empfand sie niemals als Blamage,
sie hatte hier Musik studiert,
war jung und mächtig motiviert
und froh, ein Kastengeist zu sein
und schlief auch nie da unten ein.
Mit Hochschulabschluß und Diplom
war sie das Unterweltphantom,
für manche auch die Gute Fee.
Weil aber im Soufflier- Metier
der Kastennachwuchs fehlt, denn kaum
ein Mensch hat den Beruf zum Traum,
und die Souffleusenkünste sterben,
wurd oft versucht, sie abzuwerben.
Genau zehn Jahre ist es her,
da schellte wie die Feuerwehr
ein Bote morgens früh um sechs
an ihrer Wohnungstüre zwecks
Expresszustellung eines Briefes.
Drin stand zum Glück nichts Negatives:
Wien wollte gern Cornelia Boese
als neue Staatsopern-Souffleuse.
Drei Stunden gab’s Bedenkenszeit,
dann bräuchte man in Wien Bescheid,
ob’s ab dem nächsten Ersten ginge.
Sie überlegte tausend Dinge.
Natürlich war es eine Ehre,
ein Quantensprung in der Karriere
für jeden Sänger, aber sie
vertrat ’ne Glücksphilosophie,
der diesbezüglich Zweifel kamen:
Sie hatte bis zu dem Examen
diszipliniert Klavier geübt,
ihr stiller Traum war, ungetrübt
das Leben in der Stadt genießen,
wo Main und Wein im Duo fließen,
wo Heil’ge auf der Brücke steh’n
und Tag und Nacht die Festung seh’n,
wo sich die Marktaussicht so lohnt,
daß Adam dort mit Eva wohnt,
wo’s Bocksbeutel und Bratwurst gibt-
sie war in Würzburg schwer verliebt
und dachte: „Schließlich haben wir
Kultur und Renommée auch hier!
Muß man zum Profilierungszweck,
nur weil man etwas gut kann, weg?
Warum nicht hier der Kunst sich weih’n!“
Sie sagte herzlich dankend nein,
blieb standhaft uns’rem toi-toi-toi
geretteten Theater treu,
und hat mit Kopf und Herz bis heut
diese Entscheidung nie bereut.
In ihren Flüsterjahren war
Souffleuse Boese unsichtbar,
kehrt nun jedoch ans Licht zurück
und wagt als Dichterin ihr Glück.
(Wenn Sie mal was Gereimtes suchen,
so ist die Boese auch zu buchen!)
Sie wurd‘ Autorin von diversen
Gedichtbändchen mit heitren Versen.
In ihrem ersten Werk, dem roten,
steht eine Sammlung Anekdoten
aus der Theaterunterwelt:
Wie Klajner in den Kasten fällt
und Klünder wohl blackout-bedingt
zweihundert Seiten überspringt…
Das blaue Buch ist ein Portrait
vom Genius Wolfgang Amadé,
denn der berühmte Mozart ist
der Boesen Lieblingskomponist.
Noch einmal findet man denselben
in ihrem dritten Buch, dem gelben,
das große Geister dieser Stadt
und ihre Kunst zum Thema hat:
von Goethes Lust am Frankenwein
und Riemenschneiders Schnitzerei’n,
von Vogelweide bis zu Frank,
und Mozart, der hier Kaffee trank,
die Stadt sehr schön und prächtig fand
und anderweitig auch verwandt
mit Würzburg ist: Dafür begeben
wir uns in Mozarts Liebesleben:
Die größte Liebe seines Lebens
gilt einer Frau, der er vergebens
die schönsten Arien komponiert,
doch sie ist einzig int’ressiert
an einer glänzenden Karriere
als Primadonna, und da wäre
ein armer Schlucker, denkt sie sich
als Gatte eher hinderlich,
weshalb sie Mozart zwecks Konflikt-
vermeidung in die Wüste schickt.
Und Burgschauspieler Lange nahm,
der Star war und aus Würzburg kam.
Die Liebe hat dann doch gesiegt,
er hat die Schwester abgekriegt,
weshalb wir also, wie ich find,
mit Amadé verschwägert sind!
Druckfrisch gibt’s noch ein viertes Buch
mit Boesem Heimatstadtbezug.
Was Stadtbekannte im Geheimen
des nachts so treiben, wird in Reimen
enthüllt, doch ein’s sei eingeräumt:
Sie haben alles nur geträumt,
lagen in Wahrheit brav im Bett.
Frau Dr. Beckmann war so nett,
mir einen Alptraum zu spendieren,
ich darf ihn heute rezitieren:
Frau Oberbürgermeist’rin Beckmann
erinnert sich bis heut mit Schreck an
die Nacht, in der sie einmal träumte,
daß sie die Straßenbahn versäumte,
den nächsten Intercity nahm,
und als sie dann ins Rathaus kam,
zu spät, verschwitzt und abgehetzt,
war’n alle Ämter unbesetzt,
die Gänge aber voll mit langen,
laut diskutier’nden Menschenschlangen.
Sie reichten von der Erd-Etage
hinunter in die Tiefgarage
und wie ein Tausendfüßlerwurm
hoch in den Grafeneckartturm,
verstopften außerdem total
den Efeuhof und Wenzelsaal
und sprengten die Cafeteria.
„Ich muß was machen…!“ dachte Pia.
Sie zückte ihren Schlüsselbund,
lief eine Rathausrunde und
schloß dreizehnhundert Türen auf.
Der Horrortrip nahm seinen Lauf:
Die Bürger schritten mit Privat-
initiative selbst zur Tat,
gerieten aber allesamt
dabei auf das verkehrte Amt:
Statt zum Büro der Schulverwaltung
in das Kontor für Kleintierhaltung,
statt zur Partei gleich um die Ecke
zur Freivergabe gelber Säcke
und statt zum Standesamt zum Schalter
für Scheidungsrecht im Rentenalter.
Sie zahlten Buße für Falschparken
mit Hundesteuerplastikmarken,
im Amt für Städtepartnerschaften
ließ jemand seine Frau verhaften
und eine Rechtschreib-Bagatelle
gelangte an die Pressestelle.
Man schickte jede volle Stunde
Papiere wie Geburtsurkunde
und Aufenthaltsbescheinigung
gestempelt in die Reinigung,
benutzte einen Ferienpaß
als Führerscheinentzugserlaß,
doch als das Chaospersonal
ein Frankenwein- und Wahllokal
betrieb im Still- und Wickelraum,
schrak Pia Beckmann aus dem Traum,
begriff, daß das nicht wahr sein kann
und fing den Tag von Neuem an.
Zum Schluß zitier ich Hermann Hesse:
Als Tipp für die Geburtsadresse
empfiehlt er zukünft’gen Poeten,
sich dringend Würzburg zu erbeten,
weil diese wundervolle Stadt
den Dichtern viel zu geben hat.
Bei mir hat’s mit dem Wunsch geklappt,
ich hab das große Glück gehabt,
daß ich just hier geboren bin.
Ich möchte gern auch weiterhin
in Würzburg leben und hier bleiben
und lauter boese Bücher schreiben!
Cornelia Boese, 30.11.2005