Souffleuse Boese

Es war einmal eine Souffleuse,
die hieß zum Zweck des Reimes Boese,
war weder neunzig, taub noch stumm,
nicht mal verbuckelt oder dumm,
sie strickte selten einen Strumpf
und hatte ´nen geheimen Trumpf:
Die stillen Künste der Soufflage
empfand sie niemals als Blamage;
sie hatte den Beruf studiert,
war jung und höllisch motiviert
und froh ein Kastengeist zu sein
und schlief auch nie da unten ein.

Die Welt, die so was nicht verstand,
verhielt sich nicht sehr tolerant.
So mancher Mitmensch tat, als ob
Soufflier´n der lächerlichste Job
auf Erden sei und sagte: „Du
bist viel zu klug und hübsch dazu!“
Sie aber wußte keinen Grund,
warum Souffleusen häßlich und
noch blöd sein sollten obendrein
und pfiff auf Besserwisserei´n.

Doch bald wurd´ ihr erschreckend klar:
Wie ´ne Souffleuse wirklich war,
drauf kam es überhaupt nicht an,
es zählte vielmehr nur, was man
sich vorstellte von dieser Dame –
das war für sie nicht grad Reklame…
Beim Publikum der Favorit
ist kaum die Frau, die niemand sieht!
Und weil sie so verborgen ist,
passiert´s, daß man sie leicht vergißt:
Sie lebt als Unterweltphantom
mit Hochschulabschluß und Diplom,
trotz aller Qualifikation
bekommt sie einen Hungerlohn
und selten so was wie Applaus
für ihre Müh tagein, nachtaus.

Das legte sich der Flüstertüte
allmählich lastend aufs Gemüte.
Sie war, dort in ihr Loch verbannt,
nichts als Libretto-Lieferant,
den man nur dann kurz registrierte,
wenn er nicht wunschgemäß soufflierte.
Sie hockte wie in Hausarrest
oft stundenlang im Kasten fest,
hoffte, daß jeder weiterwußte,
wenn sie einmal aufs Klo geh´n mußte
und half unschein- und unsichtbar
den Sängern durch ihr Repertoire.

An einem Abend traf sie´s schlimm:
Ein Regisseur mit null Benimm,
der nicht mal wußte, wie sie hieß,
die Sklavin unten im Verließ,
warf Müll hinein, hat wohl gedacht,
der Kasten wär ein Abfallschacht!
Verärgert stieß sie sich den Zeh,
doch seltsam: Es tat gar nicht weh!
Und als sie dann mit ihrer Stirne
versehentlich die glüh´nde Birne
der Leselampe noch berührte
und nicht den kleinsten Schmerz verspürte,
da wußte sie: Es ist passiert.
Sie war dematerialisiert.

Von dem Tag an soufflierte sie
ganz einfach durch Telepathie,
das ging den Ohren besser ein,
als flüstern, murmeln oder schrei´n.
Die Sänger liefen stolz einher,
sie hatten keine Hänger mehr,
den Kasten hackte man entzwei,
nun war der Blick zur Bühne frei,
die Musiker schrie´n: „Wunderbar!“,
weil jetzt mehr Platz im Graben war,
sogar der Intendant fand´s fein,
er sparte eine Gage ein.

Und unsere Souffleusenfee
flog freien Fußes durchs Foyer
ans Licht der Oberwelt zurück,
wagt nun als Dichterin ihr Glück,
ist im Theater mal verzichtbar
und drum für Sie inzwischen sichtbar.


Porträt einer Unsichtbaren
Stern spezial Biographie, Nr. 1/2003

Porträt einer Unsichtbaren

Von der unsichtbaren Herrscherin einer magischen Welt sind im ersten und im dritten Akt nur die Beine zu sehen, lang baumelnd, schwarz behost, knapp über der sanft lockenden Oboe im Orchester.
Weil sie als Person unsichtbar ist, hat sie sich sichtbar gemacht in tausend Zeilen aus der Unterwelt, in Gedichten … (…)
(Michael Jürgs)

Pressestimmen
Main-Post, 2.6.2008

Verführung in Pink

Ja, was machen denn die da oben? Sitzen die Musiker des Philharmonischen Orchesters doch glatt auf der Bühne statt im Orchestergraben, wo sie hingehören. Auch die Souffleuse (Cornelia Boese) darf mitspielen. (…)
(Ralph Heringlehner)


Main-Echo Aschaffenburg, 20.8.2005

Souffleuse mit Hang zum Schreiben

Sie war eine Institution am Mainfranken Theater: Cornelia Boese, die reimende Souffleuse. Nun verläßt sie ihre Wirkungsstätte, den dunklen Kasten unter der Bühne, die Unterwelt des Würzburger Theaters, wo sie seit 1990, zuerst aushilfsweise, später offiziell, als „gute Fee im Kasten“ anfangs für das Schauspiel, dann für die Oper und alles, was mit Gesang zu tun hatte, tätig war. Cornelia Boese hat den Entschluß gefaßt, „nach oben zu steigen“ und sich in das Abenteuer einer frei schaffenden Dichterin zu stürzen. (…) Man darf gespannt sein.
(Renate Freyeisen)


Main-Post Würzburg, 5. 8. 2005

Was Souffleuse Boese aus der Unterwelt treibt

Die junge Würzburger Künstlerin hat nach ihrem Abschied vom Mainfranken Theater zahlreiche Pläne (…) Nach 15 Jahren hat sich Cornelia Boese – ein Bild mit Symbolcharakter – aus dem engen Kasten unter der Bühne des Mainfranken Theaters gewunden und viele Zwänge abgeworfen. In Würzburg will sie aber bleiben. Das ist kein Zwang. Sie lebt gerne hier und sieht hier auch Stoff genug für weitere Bücher. Und dem Mainfranken Theater, dem sie dankbar ist für die inspirierende und aufregende Zeit unter „der Brettern, die die Welt bedeuten“, bleibt sie auch weiterhin verbunden.
(Ralph Heringlehner)


Mainpost, 12.7.2004

Gesicht des Tages
Souffleuse Cornelia Boese hat ihren Aufruf zum Retten des Mainfranken Theaters extra für die Mainpost gedichtet:

„Wenn wir kein Theater mehr hätten,
dann müsst man nach Meiningen jetten,
um’s nicht zu vermissen.
Finanzhindernissen
zum Trotz müssen wir es drum retten!“


Boulevard Würzburg, 11.06.2004

Wolferls Hund verwirrt Maget
Was wissen die Promis über Mozart?

Boulevard Würzburg hat prominente Gäste des Mozartfests beim Auftakt in der Residenz zu einem Wissenstest über den Komponisten aufgefordert. Hut ab! Alle wussten, wann das virtuose Kerlchen geboren ist.
Cornelia Boese, Souffleuse vom Mainfranken Theater und Buchautorin, blieb mit ihrem Wissen unerreicht. 13 von 15 Punkten. Spitzenklasse! Sie wusste lediglich nicht, was der Mozart-Effekt ist und dass Mozart in Italien mit zwei verschiedenen Namen auftrat.
(Britta Buss / Ivo Knahn)


FAZ, „Schüler schreiben“, 18.3.2003

Den Sängern immer einen Tick voraus

Ein Holzstuhl mit Kissen, ein kleiner Monitor, eine Lampe und ein Notenständer, die Beine im Freien baumelnd – so sieht er aus, der Arbeitsplatz von Cornelia Boese, der Souffleuse am Mainfranken Theater Würzburg. „Ein bißchen eng ist es schon“, sagt die schmale Dreiunddreißigjährige mit den dunklen Haaren und der ausdrucksstarken Mimik. (…)
(Annabella Fick)


Die Kitzinger, 17.6.02

Hilfreiche Stimme aus der Unterwelt

Sie sprüht vor Lebensfreude und liebt die knalligen Farben: das Treppengeländer ihres Hauses – das sie selbst auf den Namen Villa Kunterbunt getauft hat – hat sie eigenhändig mit sieben verschiedenen Tönen gestrichen, die Wände zieren Bilder von Friedensreich Hundertwasser und Rosina Wachtmeister. „In meiner Freizeit fahr‘ ich am liebsten mit meinem roten Kanu auf dem Main“ strahlt Cornelia Boese. (…)
(Markus Bußler)


Main-Post, 22.4.02

Erlöse von der Souffleuse Boese

(…) Pro verkauftem Buch spendet Boese jetzt einen Euro an den Förderverein.
Forster nahm vergnügt zehn Hundert-Euro-Scheine entgegen und freute sich über die Unterstützung. Boeses Chef Klaus Heuberger, der kaufmännische Leiter des Theaters, platzt bald vor Stolz und Lob auf seine Mitarbeiterin. (…)
(Wolf)


Rheinischer Merkur, 22.04.2001

Der kleinste Arbeitsplatz der Welt
Zu Besuch bei Cornelia Boese, Souffleuse

Eine wie sie braucht Nerven wie Drahtseile. Die gute Fee, die den Sängerinnen und Sängern weiterhilft, wenn sie den Einsatz nicht mehr wissen, wird übersehen. Unablässig. Abend für Abend. Von Theaterbesuchern, die ihre Arbeit in der Unterwelt gar nicht zu würdigen wissen. Stört sie das? Cornelia Boese lächelt. (…)
(Gideon Zoryiku)


Volksblatt, 20.11.1995

Unsichtbare hört man nicht schreien

Klein macht sich jemand wie sie am Theater; mit dem Ehrgeiz, groß herauszukommen, entspräche sie dem von ihr da zu Leistendem nicht. Sie tritt nicht hervor, tritt nicht auf. Unerläßlich aber ist, daß sie von Anfang an bis zum Ende einer Vorstellung anwesend ist. (…)
(Otto Schmitt-Rosenberger)


Main-Post, September 1995

Neue Gesichter am Stadttheater

…Als Souffleuse für das Musiktheater wurde jetzt Cornelia Boese engagiert, eine gebürtige Würzburgerin, die sich mit diesem Beruf auch wissenschaftlich beschäftigt hat, schloß sie doch ihr Studium an der Würzburger Musikhochschule mit einer Examensarbeit über die „Die Souffleuse im Musiktheater. Eine phänomenologische Untersuchung eines wenig beachteten Musikberufes“ ab. (…)


Abschiedsgedicht von Hermann Schneider

„Die Dame, die ich hier begrüße,
Sieht selbst sonst nur der Sänger Füße:
Denn jener Kasten ist ihr Reich
Aus dem sie sendet Worte gleich,
Falls einer oder zwei der Sänger
Hat in dem Schauspiel einen Hänger.

Seit Jahr und Tag war sie’s Orakel,
Und ohne sie hätt’s manch Debakel
In den Premieren wohl gegeben,
Wenn sie nicht Worte hätt‘ ergeben
Eingeflüstert und gezischt
In der Erinnrungslücke Gischt.

Zwar wär sie gänzlich unbekannt
Dem Publikum aus Stadt und Land,
Wenn sie nicht auch als Verseschmiedin
Schon längst berühmt ist auch hienieden.

Denn nicht nur fremder Leute Zeilen
Mochten der Soufflage enteilen,
Nein, nein, viel hehrer war ihr Sinnen
Und eigne Verse ihr Beginnen.

So ist und bleibt Cornelia Boese
Nicht nur die Krone als Souffleuse –
Der Dank des Hauses ihr gewiß
Auf daß sie niemand mehr vergiß!

Und wir erhoffen still und leise,
Daß sie auf ihre eigne Weise
Weiter dichtet, fabuliert,
Was ihre Muse spekuliert…

Und alsohier im Musentempel
Bleibt sie ein leuchtendes Exempel
Wie Demut und auch Künstlertum
Ergeben ein Palladium.“

29. VII. 05
HS